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Haydns Aufgaben als Vizekapellmeister bei Esterházy

Über die ersten Jahre Haydns am Hof der Esterházy ist nur wenig bekannt. Sein Dienstvertrag von 1761 überliefert uns jedoch seine Aufgaben und die Bezahlung.

Die Unterschrift von Joseph Haydn.

Am 1. Mai 1761 unterzeichnete Joseph Haydn seinen Arbeitsvertrag und wurde damit Vizekapellmeister am Hof Paul II. Anton Esterházys. Damit begann für ihn ein bedeutender neuer Lebensabschnitt. Er zählte unter den Bediensteten des Fürsten zu den Dienern höchsten Ranges. Doch wie gestaltete sich sein Arbeitsalltag? Wie wurde er bezahlt und welchen Anforderungen musste er gerecht werden? Durch seinen bis heute erhaltenen Dienstvertrag erhaschen wir einen Blick hinter die Kulissen des Esterházy‘schen Hofstaats.

Pflichten, Anforderungen und Rechte: Ein Blick in Haydns Dienstvorschrift

Joseph Haydn ist knapp 29 Jahre alt, als er seinen Dienst unter Fürst Paul II. Anton Esterházy in Eisenstadt antritt. Er hatte davor schon unter Graf Morzin als Kammerkomponist und Musikdirektor gedient, diese Stelle fiel jedoch Sparmaßnahmen im Jahr 1760 zum Opfer – der Graf konnte sich seine teure Hofhaltung nicht mehr leisten.

Glücklicherweise, so berichtet man, hatte sich Haydn bereits einen guten Ruf gemacht, war von „liebenswürdigem Charakter“ und Graf Morzin dürfte ihn empfohlen haben: All dies führte nun zur Anstellung in Eisenstadt im Jahr 1761.

Was stand in Haydns Dienstvertrag vom 1. Mai 1761?

Viel ist über die erste Zeit Haydns am Hof der Esterházy nicht bekannt, sie lässt sich aber am besten (und verlässlichsten) aus seinem Arbeitsvertrag rekonstruieren. Der Titel des handschriftlichen Dokuments lautet im Original „Convention und Verhaltungs-Norma des Vice-Capel-Meisters“. Dies lässt bereits erahnen: Wir erfahren hier nicht nur etwas über die vorgeschriebenen musikalischen Pflichten Joseph Haydns, sondern es werden auch Verhaltensregeln für den neuen Vizekapellmeister festgesetzt.

Aus den insgesamt 14 Punkten des Vertrags wird der zukünftige Alltag Haydns ersichtlich.

Punkt 1 stellt zunächst klar, dass „der in österreich zu Rohrau gebürtige Joseph Heyden“ dem bereits seit vielen Jahren als Kapellmeister tätigen Gregor Joseph Werner unterstellt sein soll. Werner habe dem Haus Esterházy „treu-emsige Dienste“ geleistet, sei aber aufgrund „seines hohen Alters“ nicht mehr im Stande, allen dienstlichen Anforderungen nachzukommen. Er soll daher „als Ober-Capelmeister verbleiben“, bis auf die Kirchenmusik („Chor-Musique“) fällt jedoch die gesamte musikalische Verantwortung an den jungen Joseph Haydn. Die Kirchenmusik nahm einen hohen Stellenwert bei Fürst Paul II. Anton ein – der erste Paragraf zeigt also auch, dass Werner weiterhin sehr geschätzt wurde.

Die Punkte 2 und 3 geben Auskunft darüber, welchen Rang Haydn unter den höfischen Bediensteten hatte. Er wird „als ein Haus-Officier angesehen“ – Hausoffiziere gehörten zu den höchsten Dienern bei Hof. Als ein solcher soll Haydn sich auch entsprechend benehmen: „nüchtern, [] nicht Prutal [….], bescheiden, ruhig“ und „ehrlich“ hat er zu sein. Dazu muss er ein gepflegtes Auftreten haben und allezeit vor den Herrschaften seine Hofuniform tragen. Außerdem hat er darauf zu achten, dass auch seine Untergebenen „in weissen strimpffen, weisser wäsche, eingepudert, und entweder in Zopf, oder Harbeutel“ erscheinen.

Für die ihm unterstellten Musiker:innen soll Haydn weiters mit gutem Vorbild vorangehen. Allzu privaten Kontakt wie zusammen essen oder trinken soll er aber meiden, um seine Autorität zu wahren. Sollte zwischen den MusikerInnen Uneinigkeit oder Streit herrschen, so ist es laut Punkt 6 auch Haydns Aufgabe, hier diplomatisch einzuschreiten und nur bei groben Meinungsverschiedenheiten den Fürsten zu informieren.

Um die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Übereinkünfte zu kontrollieren und bei Bedarf an Vorschriften mahnen zu können, werden Haydn unter Punkt 9 auch Abschriften der Verträge seiner Mitarbeiter:innen übergeben.

Punkt 4 ist besonders interessant, denn hier wird geschrieben, dass Haydn nur für den Fürsten Esterházy komponieren soll. Ohne die Zustimmung seines Herrn darf er keine anderen Aufträge annehmen, neue Kompositionen soll er außerdem geheim halten und an niemanden weitergeben. Dieser Absatz des Vertrags stellt also das alleinige Recht des Fürsten an der Musik Haydns sicher. Punkt 10 knüpft an diesen Paragrafen an und appelliert an den Eifer Haydns, sich dem Fürsten würdig zu zeigen, weshalb er auch bereitwillig anderen Aufgaben nachkommen solle, die nicht explizit im Vertrag genannt werden.

In Punkt 5 wird Haydn aufgetragen, dass er zweimal täglich die musikalischen Befehle des Fürsten entgegennehmen muss, unabhängig davon, wo dieser gerade residiert. Dies impliziert, dass von Haydn und den übrigen Musiker:innen die Mitreise mit den Herrschaften erwartet wird. Haydn muss also vor- und nachmittags fragen, „ob eine Musique seyn solle?“ – das konnten eine neue Komposition, ein Konzert oder zur Tafel begleitende Musikaufführungen sein – und auch für die Pünktlichkeit der Musiker:innen ist er verantwortlich.

Punkt 7 und 8 sprechen verwaltungstechnische und pädagogische Anforderungen an. Haydn ist für die Wartung und Instandhaltung von Musikalien und Instrumenten zuständig und soll außerdem seine Musiker:innen, insbesondere „die Singerinnen“, unterrichten.

Die letzten Punkte 11-14 legen Bestimmungen wie Bezahlung, Vertragsdauer, Aufstiegsmöglichkeiten und Kündigungsrechte fest.

Das Jahresgehalt beträgt dabei 400 Gulden und wird vierteljährlich ausbezahlt, zusätzlich erhält Haydn Kost am „Officier Tisch“ oder alternativ einen halben Gulden pro Tag Essensgeld. Seine Beschäftigung ist vorerst auf drei Jahre befristet. Sollte er nach diesen drei Jahren nicht weiterhin am Hof der Esterházy bleiben wollen, so hat er dies ein halbes Jahr im Voraus bekannt zu geben. Sofern der Fürst mit Haydns Leistung zufrieden ist, wird ihm die Aussicht auf den Posten des Oberkapellmeisters gestellt. Andernfalls behält sich Paul II. Anton aber auch das Recht auf eine fristlose Kündigung vor.

Haydn erhält den Vertrag am „1ten May 1761“ und unterzeichnet eigenhändig („mpria“: manu propria, mit eigener Hand) mit

„Joseph Haydn mpria“

Wurde Haydn gut bezahlt?

Unter einem Jahresgehalt von „400 Gulden“ kann man sich heute wenig vorstellen. Um die Frage nach einer „guten“ oder „schlechten“ Bezahlung Haydns ein wenig klarer beantworten zu können, sehen wir uns im Vergleich sein vorheriges Gehalt bei Graf Morzin an. Dort erhielt Haydn 200 Gulden im Jahr, eine freie Wohnung und freie Kost an der Offizierstafel. Mit dieser Höhe an Bezahlung war eine Existenz damals gesichert und lag weit über dem Gehalt von Arbeitern. Wiener Fabriksarbeiter in den 1770ern bis 1790ern gaben beispielsweise an, dass man von etwa 108 Gulden im Jahr eine Familie erhalten konnte.

Musiker in einer festen Anstellung konnten mit dem damaligen Lebensstandard des guten bürgerlichen Mittelstandes rechnen. Selbst solche, die sich ihren Unterhalt größtenteils durch Unterrichtsstunden (Musikschulen gab es damals nicht) verdienten, konnten in Summe ein gutes Einkommen haben.

Die 400 Gulden, die Haydn am Hof der Esterházy bekam, entsprachen dagegen in etwa dem Einkommen eines höheren Amtsdieners. Zudem erhielt Haydn als Vizekapellmeister damit das gleiche Einstiegsgehalt wie der Oberkapellmeister Gregor Joseph Werner. Dazu kamen weitere Vergünstigungen für die Dienerschaft der Esterházy, wie etwa übernommene Apothekenrechnungen und die bereits angesprochene freie Kost und Logie. Haydn wurde eine Unterkunft im Kapellenhaus geboten. Auch Spitals- und Kuraufenthalte sowie Pensionszahlungen standen den höheren Bediensteten, wie eben Haydn, zu.

Nur ein Jahr nach diesem ersten Vertrag wurde Haydns Jahreseinkommen unter Fürst Nikolaus I. Esterházy auf 600 Gulden im Jahr aufgestockt und als 1763 die Offizierstafel als Geldbetrag ausbezahlt wurde, erhielt Haydn sogar 782 Gulden und 30 Kreuzer insgesamt.

Die ersten Jahre am Esterházy’schen Hof erhielt Haydn also ein für die damalige Zeit durchaus angemessenes Gehalt.

War Haydns Vertrag fair?

Haydn hatte laut Vertrag eine heute sehr streng wirkende Vorgabe, was seine Kompositionen anging: Nur auf Befehl des Fürsten durfte komponiert werden, jedem fremden Auftrag musste er zudem erst zustimmen. Diese Vorgabe als eine Beschränkung der künstlerischen Freiheit Haydns anzusehen, ist jedoch eine überwiegend moderne Sicht der Dinge.

Zunächst muss man beachten, dass die meisten Kompositionen im 18. Jahrhunderts „auf Befehl“ geschrieben wurden. Ein Auftraggeber bestellte ein Werk meist zu einem bestimmten Anlass, an dem dieses dann auch fertig sein musste. Einen Vorteil hatte dieses Schreiben auf Bestellung übrigens auch: eine Aufführung des Stücks war sicher.

Dass Haydn seine neuen Werke geheim halten sollte und nicht verbreiten durfte, brachte vorerst für ihn auch keine finanziellen Nachteile. Ein Urheberrecht im modernen Sinne gab es nicht, die Zustimmung des Komponisten zur Verbreitung seiner Komposition war, im Gegensatz zu der des Auftraggebers, nicht erforderlich. Der Auftraggeber nämlich war der Besitzer des Werkes. Von der Verbreitung hatten lediglich die Verleger einen Profit.

Vielleicht überrascht es auch, dass für Haydn das „Komponieren“ nur eine von vielen Vorgaben war – schließlich ist er heute vorwiegend als „Komponist“ bekannt. Den Beruf „Komponist“ kannte man aber im 18. Jahrhundert so nicht – die meisten „Komponisten“ verdienten ihren Lebensunterhalt als Chorleiter, Organisten oder mit privaten Unterrichtsstunden. Von jemandem, der ein Instrument professionell beherrschte, wurde auch erwartet, dass er dafür ein Musikstück schreiben konnte. Das „Komponieren“ wurde nicht als Kunst verstanden, sondern als künstlerisches Handwerk. Darum war es nur selbstverständlich, dass Haydn als Kapellmeister seine Kapelle auch mit Kompositionen versorgen konnte. Für die romantische Vorstellung vom „Komponisten als Künstler“, der nur nach genialen Einfällen arbeitet, war es noch zu früh.

Haydns Vorgaben entsprachen den Standards seines Berufsstandes um 1760. Doch eines sei erwähnt: Haydn lebte auch in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels. Zu seinen Lebzeiten erfuhr der Beruf des Musikers eine Emanzipation – vom Diener zum freischaffenden Künstler. Unter diesem Aspekt ist auch interessant, dass man Haydns Vertrag im Jahr 1779 neu aufgesetzte, wobei Punkt 4 ersatzlos gestrichen wurde. Die Vorgabe, nur für einen Herrn zu schreiben und nichts verbreiten zu dürfen, existierte für ihn somit offiziell nicht mehr. Dies läutete auch eine neue Phase in Haydns Leben ein, denn Ende 1779 trat das Verlagshaus Artaria mit ihm in Kontakt. Es sollte für zehn Jahre der Hauptverleger seiner Werke werden.

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