Burg Forchtenstein
Restitution der Forchtensteiner Schätze
Burg Forchtenstein gilt seit dem 17. Jahrhundert als der „Tresor“ der Fürsten Esterházy. In den 1690ern errichtete Fürst Paul I (1635–1713) in der Burg eine Kunstkammer, die in den Inventaren als „Schatzkammer“ bezeichnet wurde und in die er Besonderheiten aus Kunst, Wissenschaft, Flora, Fauna und Ethnographie aus aller Welt einbrachte. Über Jahrhunderte war diese Schatzkammer durch dicke Mauern und komplizierte Sperrmechanismen gesichert, die Sammlung blieb bis Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend in ihrem Originalbestand und in den ursprünglichen Schränken aufbewahrt.
Restitutionsbestrebungen – Vorgeschichte
Burg Forchtenstein gilt seit dem 17. Jahrhundert als der „Tresor“ der Fürsten Esterházy. In den 1690ern errichtete Fürst Paul I (1635–1713) in der Burg eine Kunstkammer, die in den Inventaren als „Schatzkammer“ bezeichnet wurde und in die er Besonderheiten aus Kunst und Wissenschaft, Flora und Fauna, Ethnographie aus aller Welt einbrachte. Über Jahrhunderte war diese Schatzkammer durch dicke Mauern und komplizierte Sperrmechanismen gesichert, die Sammlung blieb bis Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend in ihrem Originalbestand und in den ursprünglichen Schränken aufbewahrt.
Als die Donaumonarchie infolge des Ersten Weltkriegs 1918 in Einzelstaaten zerfiel, wurde in Ungarn im März 1919 die Ungarische Räterepublik ausgerufen. Am 1. April 1919 erschienen Mitglieder des Direktoriums dieser Räterepublik auf Burg Forchtenstein, beschlagnahmten rund 280 Objekte aus der Schatzkammer und brachten diese nach Budapest. Es handelte sich dabei vor allem um Silber- und Goldschmiedearbeiten sowie wertvolle Textilien. Einige Objekte davon waren 1923 mit Zustimmung des letzten Majoratsherrn und damaligen Eigentümers Paul V. Esterházy (1901–1989) in einer Ausstellung zu sehen. Seither wird der verbrachte Schatz jedoch zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit wie auch Wissenschaft verwahrt. Ende 2016 wurden die Kunstgegenstände aus staatlichen Museen in das damals noch in Renovierung stehende Schloss Fertőd gebracht und dort in den Kellern eingelagert. Zugleich wurden sie aus dem Grundinventar der staatlichen Museen gestrichen, wodurch ihr rechtlicher Schutz nicht mehr gegeben war. Zudem ist Schloss Fertőd kein staatliches Museum, sondern einer Holdinggesellschaft unterstellt ist, wodurch die Objekte der staatlichen Zuständigkeit und Haftung entzogen wurden.
Als Rechtsnachfolgerin des letzten Fürsten Dr. Paul Esterházy und Eigentümerin des früher fideikommissarisch gebundenen Vermögens in Österreich brachte die Esterhazy Privatstiftung 2016 nach Inkrafttreten einer Restitutionsverordnung von 2013 und nach anfänglichen Gesprächen mit Vertretern der ungarischen Regierung im Verwaltungsrechtsweg den Antrag auf Rückstellung der Kunstschätze ein. Parallel dazu läuft ein Zivilverfahren, wobei die Urteile beider Verfahren mittlerweile vom Obersten Gericht (Kurie) in die zweite Instanz zurückgewiesen wurden.
Chronologie des Restitutionsverfahrens
Fideikommiss und Esterhazy Privatstiftung
Die Esterhazy Privatstiftung ist Rechtsnachfolgerin des letzten Fürsten Dr. Paul Esterházy (1901–1989), somit Eigentümerin des früher fideikommissarisch gebundenen Vermögens und damit auch der Schatzkammer. Aufgrund dieser klaren Rechtsposition hat sie in Ungarn Klage hinsichtlich der Restitution der im Jahr 1919 von Forchtenstein nach Budapest verbrachten Kunstgegenstände eingebracht. Das Fideikommiss war über Jahrhunderte die Grundlage dafür, dass das Vermögen der historischen Familie Esterházy ungeteilt jeweils an den erstgeborenen Sohn ging. Die Stiftung fungiert heute als Verwalterin und Rechtsnachfolgerin dieses Erbes. Der Stiftungszweck besteht darin, das kulturelle Erbe der Fürsten Esterházy zu erhalten und einem breiten Publikum öffentlich zugänglich zu machen. Das in Ungarn befindliche Treuhandvermögen wurde 1949 während der kommunistischen Diktatur verstaatlicht und Dr. Paul Esterházy in jenem Jahr in einem Schauprozess zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Die Schatzkammer auf Burg Forchtenstein
Die in ihren Grundfesten auf das Mittelalter zurückreichende Burg Forchtenstein wurde im 17. Jahrhundert zu einem barocken Hochschloss ausgebaut. Innerhalb ihrer Mauern ließ der 1687 in den Fürstenstand erhobene Paul I. Esterházy (1635–1713) eine Schatzkammer bzw. Kunstkammer einrichten. Noch heute befindet sich ein Teil der Raritäten und Kostbarkeiten in den originalen Schränken und damit auf jene Weise aufgestellt, wie sie sich auch den Betrachtern voriger Jahrhunderte präsentierte. Für die gesamte Kulturwelt sind die Schatzkammer sowie die darin enthaltenen Objekte von besonderer Bedeutung, sie symbolisieren den Aufstieg der Familie Esterházy und ihren Status innerhalb des europäischen Hochadels. Der letzte Majoratsherr Dr. Paul Esterházy hatte sich nach seiner Flucht aus Ungarn 1956 mehrfach dafür ausgesprochen, dass der Schatz der Burg Forchtenstein eine würdige Ausstellung erhalten sollte. Dieser Wunsch wurde durch die Stiftungen Anfang des 21. Jahrhunderts umgesetzt, indem die Räumlichkeiten der historischen Schatzkammer sowie deren Objekte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Allerdings war zu Beginn des 20. Jahrhunderts mutwillig in die Gesamtheit der Sammlung eingegriffen worden: Mitglieder des Direktoriums der kommunistischen Rätediktatur hatten während der nur wenige Monate bestehenden Räterepublik in Ungarn im April 1919 rund 280 Kunstobjekte und Raritäten von Forchtenstein nach Budapest verbracht. Die Esterhazy Privatstiftung fordert seit Jahren die Restitution dieser Gegenstände, bei denen es sich vor allem um Gold- und Silberobjekte sowie historisch bedeutende Textilien handelt. Nachdem klärende Gespräche mit Vertretern der Ungarischen Regierung erfolglos blieben, musste die Stiftung 2016 eine Klage einbringen, um ihre Rechte durchzusetzen. Während des Rechtsstreits stellte die Esterhazy Privatstiftung wiederholt als Ziel klar, dass die Forchtensteiner Objekte in Ungarn verbleiben, sowie der Öffentlichkeit und der Forschung zugänglich gemacht werden sollen.
Ungarns Restitutionsverordnung von 2013
Mit 13. Dezember 2013 trat in Ungarn eine Restitutionsverordnung in Kraft. Sie sollte durch die Umkehr der Beweislast die Rückgabe jener verstaatlichten Gegenstände ermöglichen, die während der autoritären Regime verstaatlicht worden waren. Das bedeutete nun, dass die Beweislast hinsichtlich des Eigentums nicht beim Antragsteller – in diesem Fall der Esterhazy Privatstiftung – sondern beim ungarischen Staat lag. Demnach war es an ihm, die „zweifelsfreie“ Erlangung des Eigentums darzulegen.
Trotz einiger Gespräche zwischen der Esterhazy Privatstiftung und Vertretern des ungarischen Staates im Zeitraum zwischen 2013 und 2015 gelang es allerdings nicht, bestimmte Kunstobjekte des Forchtensteiner Bestandes zu identifizieren. Sich stets gesprächsbereit zeigend, gab die Stiftung schließlich selbst eine wissenschaftliche Studie in Auftrag, um die Eigentümerstellung zu ermitteln. Bei einem Treffen am 19. Oktober 2016 signalisierten acht Vertreter des ungarischen Staates die Bereitschaft, innerhalb weniger Wochen auf das weitere Verfahren zu reagieren. Allerdings folgten keinen Taten.
Einbringung des Antrags auf Restitution
Da Ungarns versprochene Reaktionen ausblieben, reichte die Esterhazy Privatstiftung am 3. Dezember 2016 im Verwaltungsrechtsweg ihren Antrag gemäß der Restitutionsverordnung ein. Zuständig für dieses Verfahren ist der Kanzleramtsminister.
Grundlage für diesen Schritt war und ist die Rechtsauffassung der Stiftung, dass die 1919 aus Forchtenstein verbrachten Objekte aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum fideikommissarisch gebundenen Vermögen als wesentlicher Bestandteil der Burg Forchtenstein zu sehen sind. Genau aus diesem Grund konnten sie auch nicht Gegenstand der Verstaatlichung von 1949 gewesen sein. Zudem existiert kein Dokument zu deren Verstaatlichung, in welcher die Gegenstände genau bezeichnet sind. Jeder Eigentumsübergang setzt nämlich rechtlich voraus, dass die Gegenstände individualisierbar und konkret bestimmt sind. Es verstößt gegen Grundprinzipien des Sachenrechts, einen Eigentumsübergang ohne konkrete Bestimmung des Gegenstandes anzunehmen.
Verbringung der Kunststücke von Budapest nach Fertőd – Eigentümerklage
Ab 1919 waren die Forchtensteiner Objekte in Budapest im Nationalmuseum und im Museum für angewandte Kunst aufbewahrt. Ende 2016 wurden sie nach Schloss Fertőd gebracht, das zu jener Zeit renoviert wurde und dort im Keller eingelagert. Zugleich mit diesem Ortswechsel wurden sie aus dem Grundinventar der staatlichen Museen gestrichen, was sie auch aus deren rechtlichen Schutz entzog. Schloss Fertőd war zu jenem Zeitpunkt nicht als Museum eingestuft und wurde am 1. Jänner 2017 von der Holdinggesellschaft Nistema GmbH übernommen. Somit befanden sich die Objekte nun außerhalb des Schutzbereiches der staatlichen Museen.
Weitere Besorgnis schürte zudem Artikel 38/D des Gesetzes CXL von 1997, demzufolge staatliche Kunstwerke in Ungarn auf „Billigkeitsgrundlage“ in den Besitz Anderer übertragen werden können. So schien es als realistische Möglichkeit, dass einige Kunstwerke, die historisch und rechtlich als Teil des ehemaligen Fideikommisses untrennbar mit dem Gesamtbestand verbunden sind, unberechtigt an entfernte Mitglieder der Familie Esterházy übertragen wurden. Ein ähnlicher Fall hatte sich in Ungarn bereits ereignet, als zwei Kunstwerke aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Familie und Schloss Karolyi zu deren Gunsten freigegeben worden waren.
Aufgrund der Verbringung an einen neuen Standort musste die Esterhazy Privatstiftung in der Folge alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, damit die Forchtensteiner Objekte wieder zu dem ihnen seit 1919 in Ungarn zugedachten Platz, dem Nationalmuseum und dem Museum für angewandte Kunst, gebracht werden. Mit der am 23. Dezember 2016 eingebrachten zivilrechtlichen Klage, verbunden mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung beim Landgericht in Budapest, forderte die Stiftung nicht die Herausgabe, sondern vorerst den Rücktransport der verbrachten Schätze an die staatlichen ungarischen Museen. Zugleich sollte dieser Schritt auch die Herausgabe weiterer Objekte an andere Stellen verhindern.
Eine mündliche Anhörung zur einstweiligen Anordnung wurde erst für den 10. Mai 2017 angesetzt. Die Esterhazy Privatstiftung begründete den Antrag auf einstweilige Anordnung mit der nicht sachgemäßen Verwahrung der Forchtensteiner Objekte am neuen Aufbewahrungsort Fertőd und betonte zugleich die nicht geklärte rechtliche Situation. Wenige Tage vor der Anhörung wurde die Stiftung jedoch darüber informiert, dass die Aussage einer Wissenschaftlerin, die in unserem Sinne als Zeugin ausgesagt hätte, nicht zugelassen werde. Zugleich gab das Schlossmuseum Fertőd bei eben jener Anhörung bekannt, am selben Tag die Museumsklassifizierung erhalten zu haben. Das Gericht lehnte daraufhin den Antrag der Esterhazy Privatstiftung auf einstweilige Anordnung ab.
Überschreitung der Bearbeitungsfrist und Änderung der Restitutionsverordnung
Obwohl das ungarische Recht für die Abwicklung von Restitutionsverfahren eine Höchstdauer von 93 Tagen vorgibt, zog sich das Verfahren hinsichtlich der Forchtensteiner Objekte über 211 Tage. Statt am 8. März wurde erst am 4. Juli 2017 die Entscheidung des Kanzleramtsministers verkündet; sie beinhaltete eine aus lediglich zwei Sätzen bestehende Ablehnung, Begründung oder Rechtsmittelbelehrung waren keine angeführt. Gegen diese Entscheidung ergriff die Esterhazy Privatstiftung Rechtsmittel bis zum Obersten Gericht (Kurie). Ziel war es, eine endgültige Entscheidung dahingehend zu erwirken, dass das Restitutionsverfahren ein Verwaltungsverfahren darstellt und dementsprechend ein Bescheid mit Begründung zu erlassen ist, gegen den Rechtsmittel eingelegt werden können.
Das Verfahren der Kurie endete mit einem Urteil vom 29. September 2018 – der Stiftung wurde recht gegeben und ihre Rechtsansicht bestätigt. Es musste daher die zuständige Verwaltungsbehörde ein neues Verfahren führen und eine begründete, ordnungsgemäße Entscheidung fällen. In der Folge verging weitere Zeit, bis das behördliche – ministerielle – Verfahren über die Restitution am 18. April 2019 erneut eingeleitet wurde.
Tatsächlich blieb die Verwaltungsbehörde im Restitutionsverfahren vorerst, trotz Anträgen der Stiftung auf Fortsetzung des Verfahrens, untätig. Allerdings änderte der ungarische Staat in der Zwischenzeit auf Vorschlag des für Restitutionsverfahren verantwortlichen Ministers die Gesetzgebung. Demnach lag die Beweislast nun nicht mehr, wie im Gesetz von 2013 ursprünglich und zu Beginn des Verfahrens angeführt, beim ungarischen Staat, sondern nunmehr beim Antragsteller Esterhazy Privatstiftung. Diese neue Restitutionsverordnung trat mit 16. Juli 2019 in Kraft und gilt ausdrücklich – rückwirkend - auch für bereits davor eingeleitete, „wiederholte“ behördliche Verfahren.
Verwaltungs- und Zivilprozess: Weitgehend wortgleiche Ablehnungsentscheide
Erst zwei Monate nach Inkrafttreten der neuen Restitutionsordnung reagierte das ungarische Ministerium am 19. September 2019 auf die neuen Bestimmungen: Es forderte die Esterhazy Privatstiftung auf, weitere Beweise vorzulegen und ordnete die Einholung der vollständigen Akte aus dem Zivilprozess an. Das Zivilgericht setzte die Zivilklage bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens aus, das nun jedoch abermals zum Stillstand kam. Die für das Verwaltungsverfahren anberaumte Frist bis 15. Oktober 2019 verstrich ohne jegliche Tätigkeit oder Entscheidung. Erst am 4. Juni 2020 erließ das Ministerium erneut einen den Antrag der Stiftung auf Restitution ablehnenden Bescheid. Begründend wurde im Bescheid angegeben, das Ministerium habe eine umfassende Prüfung der Eigentumsverhältnisse vorgenommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Stiftung ihr Eigentum nicht zweifelsfrei nachweisen und das Eigentum des ungarischen Staates zweifelsfrei festgestellt werden könne. Brisanz erhält diese Begründung vor dem Hintergrund, dass im Restitutionsverfahren als Verwaltungsverfahren nur über die Überlassung des tatsächlichen Besitzes entschieden werden darf. Über die Eigentümerstellung darf im Verwaltungsverfahren (Restitutionsverfahren) nicht entschieden werden. Der Kanzleramtsminister ist hierzu nicht befugt, zuständig für die Entscheidung über das Eigentum ist ausschließlich das Gericht.
Nach der Zustellung dieser Entscheidung im Verwaltungsverfahren erfolgte die Wiederaufnahme des Zivilverfahrens. Am 9. September 2020 erließ das Gericht ein ablehnendes Urteil, das weitgehende Übereinstimmung mit der ministeriellen Entscheidung aufwies – in weiten Textpassagen glichen sich beide aufs Wort.
Die Berufung der Stiftung gegen dieses Urteil in der Zivilrechtssache wurde durch das Berufungsgericht am 14. April 2021 zurückgewiesen.
Hinauszögerung der Entscheidung im Verwaltungsverfahren
Am 25. Mai 2021 wies das Verwaltungsgericht auch die Berufung der Stiftung im ministeriellen Restitutionsverfahren zurück. Begründet wurde dies damit, dass das Gericht im Zivilrechtsverfahren zwischenzeitig entschieden habe, dass der Kläger nicht der Eigentümer sei. Damit könne er sein Eigentum nicht zweifelsfrei beweisen. Die zeitliche Verzögerung im Restitutionsverfahren hatte also dazu geführt, dass sich in der Zwischenzeit die Beweislast umgekehrt hatte und sich das Ministerium auf das zwischenzeitlich erlassene Urteil im Zivilverfahren berufen konnte.
Aufgrund der Überschneidung der behördlichen Sachbearbeitungszeit und der rückwirkenden Gesetzgebung hätte das Verwaltungsgericht das zumindest ein Normkontrollverfahren beim Verfassungsgericht einleiten müssen. Dies geschah jedoch nicht.
Damit war die Position der Stiftung durch den zeitlichen Ablauf der Gesetzgebung und die beiden Gerichtsverfahren stark verschlechtert: 2016 hätten die Kunstgegenstände der Stiftung bei bloßer Glaubhaftmachung ihrer Eigentümerstellung herausgegeben werden müssen. Die Beweislast lag zum damaligen Zeitpunkt beim ungarischen Staat. 2021 musste die Stiftung durch die Änderung des Gesetzes ihr Eigentum „über jeden begründeten Zweifel“ hinaus beweisen.
Rechtliches Gehör vor dem Obersten Gericht (Kurie)
In beiden Verfahren legte die Esterhazy Privatstiftung gegen die letzten Entscheidungen beim Obersten Gericht (Kurie) Revision ein, welches ihr in beiden Verfahren Recht gab. Die Kurie setzte in beiden Verfahren die jeweilige zweitinstanzliche Entscheidung außer Kraft und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an die zweite Instanz zurück. Die formellen Fehler in den Entscheidungen wurden als so gravierend eingestuft, dass die Verfahren wiederholt werden mussten. Hinsichtlich des Zivilverfahrens wurde wörtlich festgestellt, dass das Urteil der zweiten Instanz aktenwidrig sowie mangelhaft sei und zudem teilweise gegen die Regeln der Logik verstoße. Als gravierende Mängel wurden unter anderem die zum Teil erfolgte falsche Identifizierung der streitgegenständlichen Kunstschätze sowie inhaltliche Divergenzen zwischen Urteilsspruch und Begründung genannt.
Erneute Niederlage vor den zweitinstanzlichen Gerichten
Inzwischen wurde abermals sowohl im Zivil- als auch im Restitutionsverfahren durch die jeweiligen zweitinstanzlichen Gerichte gegen die Esterhazy Privatstiftung entschieden. Die Stiftung hat in beiden Fällen wieder Revision an das Oberste Gericht (Kurie) eingelegt. Die mündliche Verhandlung im Restitutionsverfahren vor dem Obersten Gericht fand am 7. Februar 2023 statt. Das Gericht setzte das Verfahren aus und wandte sich wegen der Anwendbarkeit der Restitutionsverordnung an das Verfassungsgericht.
Eigentum des Staates an den Schätzen nicht bestätigt
Am 22. Februar 2023 fand vor dem Obersten Gericht in Budapest im Zivilrechtsverfahren eine mündliche Verhandlung statt. Darin bestätigte die Instanz zwar das vom Oberlandesgericht gefällte Urteil, das den Anspruch der Esterházy Privatstiftung auf das Eigentum der Kunstwerke ablehnte. Allerdings wurde darin auch das Eigentum des Staates an den Artefakten nicht bejaht. Als Begründung für das Urteil nannte das Gericht die zeitliche wie auch räumliche Distanz in Hinsicht auf die Verbringung der Artefakte von Forchtenstein nach Budapest 1919. Es sieht dadurch im juristischen Sinn die Einheit zu den in Forchtenstein verbliebenen Gegenständen nicht gegeben. Laut Urteil sind sie somit nicht als Bestandteil jener Gegenstände zu sehen, die 1994 bei Gründung der Esterházy Privatstiftung in deren Vermögen eingebracht wurden. Sie werden somit laut diesem Spruch nicht als Stiftungsvermögen angesehen. Allerdings belegte der Oberste Gerichtshof auch die Argumentation des ungarischen Staates nicht, mit der dieser die Rechtmäßigkeit der Verstaatlichung im Jahr 1949 vertritt.
Mit diesem Urteil bleibt die Eigentumsfrage bezüglich der 1919 durch Vertreter der ungarischen Räterepublik aus Forchtenstein nach Budapest verschleppten Kunstgegenstände weiterhin offen. Sie werden derzeit an drei Standorten, dem Museum für angewandte Kunst und dem Nationalmuseum in Budapest sowie im Schloss Fertőd, verwahrt. Die Esterházy Privatstiftung als Klägerin ist weiterhin bemüht, die Frage unter Einbeziehung aller Beteiligten auf dem Gesprächsweg regeln zu können, um die seit nunmehr über hundert Jahre weitgehend unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Forschung verwahrten Kunstgegenstände einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Das Landesgericht hebt den Verwaltungsbeschluss auf
Im September 2023 hob das Budapester Landgericht den früher gefassten Verwaltungsbeschluss mit der Begründung auf, dass dieser gegen das Verbot einer rückwirkenden Gesetzgebung verstoßen habe. Das Gericht wies das zuständige Ministerium an, sich neuerlich mit der Causa zu befassen und einen neuen Beschluss zu fassen. Die Esterházy Privatstiftung begrüßt das Urteil und zeigt sich weiterhin gesprächsbereit. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Anerkennung des Eigentums zu erlangen. Die Kunstschätze sollen unter Zugänglichmachung für Öffentlichkeit und Forschung weiterhin in Ungarn verbleiben, was letztendlich die Schaffung einer klaren juristischen Regelung für die kommenden Generationen bedeutet.